L S R

ein paraphilosophisches Projekt
von


Bernd A. Laska
Marginalien
Notizen | Berichte | Reflexionen
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20. April 2010: 25 Jahre LSR-Projekt

25. April 2010: "Nietzsche" führt in LSR-Suchwortliste

8. Mai 2010: LSR-Diskussion in Wikipedia

18. Mai 2010: Martin Hochhuths "Tertiärverdrängung"

2. Juni 2010: Giorgio Penzo: Max Stirner auf deutsch

21. Juni 2010: Zur Neuedition von Stirners "Einzigem"

25. Juni 2010: "...in einer wenig beachteten Studie..."

27. Oktober 2010: Stulpe = ein Neo-Helms und Anti-Laska

20. Dezember 2010: Das Stirner-Jahrbuch 2010

20. April 2010: 25 Jahre LSR-Projekt


25 Jahre LSR-Projekt

In diesen Tagen und Wochen wird das LSR-Projekt fünfundzwanzig Jahre alt. Ich habe es im einleitenden Essay zu La Mettries Buch Der Mensch als Maschine, das im Frühjahr 1985 erschien, erstmals in einigen Sätzen umrissen. In den folgenden Jahren habe ich es weiter ausgearbeitet. Die La-Mettrie-Werkausgabe in vier Bänden war 1987 komplett. 1986 erschienen die Kleineren Schriften Stirners neu ediert unter dem Titel Parerga, Kritiken, Repliken. Ein Band mit einer Auswahl aus den Schriften Reichs war aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Drei Bände Stirner-Studien folgten Mitte der 90er Jahre. Seit 1988 schrieb ich eine Reihe von Artikeln, die nicht ausschliesslich in "non peer reviewed" Organen mit nicht festgestelltem "impact factor" gedruckt wurden. Vorträge, die ich auf Kongressen, probably far from any "excellence cluster", hielt, wurden in deren Akten publiziert. Nahezu alle Arbeiten (siehe Bibliographie), mit Ausnahme der Bücher, sind seit 1998 auf den Internet-Seiten des LSR-Projekts an einem zentralen Ort leicht zugänglich verfügbar. Zu den Originalarbeiten in deutscher Sprache kamen dort im Laufe der Zeit (siehe LSR-Protokoll) zahlreiche Übersetzungen in mehrere (derzeit zwölf) Sprachen hinzu.

Die meisten meiner Arbeiten der letzten fünfundzwanzig Jahre gehören dem Genre Investigative Ideengeschichte an; es sind Studien zu der von mir so genannten Re(pulsions- und De)zeptionsgeschichte meiner drei Protagonisten La Mettrie, Stirner und Reich. Nur drei Artikel, die jeweils den Titel Die Negation des irrationalen Über-Ichs bei [L resp. S resp. R] tragen, legen den Schwerpunkt auf die Identifizierung der (sich als paraphilosophisch darstellenden) "LSR-Kernidee", deren "Abwehr" durch eine Vielzahl von Denkern in den historischen Arbeiten herauspräpariert wurde.

Wenngleich ich vorhabe, noch einige weitere Artikel zum Thema zu schreiben, dürften aufgrund der vorliegenden Arbeiten die Grundzüge des LSR-Projekts schon seit längerem hinreichend kenntlich sein. Dennoch: trotz des Verkaufs vieler tausend Exemplare der Bücher, trotz einer weit gestreuten Verbreitung der einschlägigen Artikel und trotz eines durchgehend sehr guten Besuchs der Netzpräsenz gab es zum LSR-Projekt als Ganzem bisher kaum ein Echo; Anfragen, Briefwechsel, Diskussionen bezogen sich fast ausnahmslos auf den einen oder anderen meiner Protagonisten. -- Reflexionen über diesen erstaunlichen Sachverhalt werden Inhalt dieses "Blogs" sein, dazu kurze Mitteilungen, Berichte und Notizen, Anmerkungen zu Büchern etc.

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25. April 2010: "Nietzsche" führt in LSR-Suchwortliste


Seit ich Ende 2002 den Artikel Nietzsches initiale Krise ins Netz gestellt habe, hat sich die Aufrufstatistik meiner Netzpräsenz deutlich gewandelt. Waren bis dahin Reich, Stirner und La Mettrie - etwa im Verhältnis 4 : 2 : 1 - die Suchworte, die Besucher am häufigsten auf meine Seiten führten, so war es bald Nietzsche, der den Spitzenplatz in der Liste der Suchworte einnahm. Dies steigerte sich mit dem Einstellen der Übersetzungen des Artikels, insbesondere mit der englischen, die seither die bei weitem meistaufgerufene meiner Seiten ist. Dennoch: auch hier ist kaum ein Echo in der Nietzsche-Literatur zu vernehmen. Auf einige Erwähnungen werde ich demnächst hier zu sprechen kommen.

Seitenaufrufe im März 2010:

poly/ennietzsche.html: englische Version
poly/frnietzsche.html: französische Version
nietzsche.html: Originalfassung
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poly/itnietzsche.html: italienische Version (399 Hits)
poly/nlnietzsche.html: niederländische Version (280 Hits)
poly/dknietzsche.html: dänische Version (191 Hits)
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Insgesamt 3478 Aufrufe

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8. Mai 2010: LSR-Diskussion in Wikipedia


Ich habe am 20. April etwas zu erwähnen vergessen: Es gab doch einen Ort, an dem auf nennenswerte Weise über das LSR-Projekt diskutiert, ja heftig gestritten wurde: die Wikipedia. Dabei ging es allerdings nicht um Inhaltliches, sondern um die "Relevanz" des Projekts; also darum, ob es als Lemma in die Wikipedia aufgenommen werden kann. Das wichtigste Kriterium dafür ist, durchaus nachvollziehbar, die Rezeption in "reputablen" Fachorganen. Da eine solche nicht nachweisbar war, wurde schliesslich entschieden, dass das LSR-Projekt kein eigenes Lemma bekommt. Es konnte aber im Rahmen des Artikels über den "relevanten" Autor Bernd A. Laska beschrieben werden. Die Darstellung blieb bis dato unvollständig, weil der Wikipedianer, der seinerzeit pro LSR aktiv war und den Text hauptsächlich verfasst hat, offenbar die Lust verloren hat. Er hat jedoch eine Dokumentation der Diskussionen um den Artikel, an denen auch die Fachredaktion Philosophie der Wikipedia beteiligt war, angelegt: "Löschdiskussion".

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18. Mai 2010: Martin Hochhuths "Tertiärverdrängung"


Durch eine Anfrage zu Stirner, die ich vor einiger Zeit bekam, wurde ich auf ein Buch des Anfragenden aufmerksam, in dem Stirner eine grundlegende Rolle spielt:

  Martin Hochhuth
  Relativitätstheorie des öffentlichen Rechts
  Baden-Baden: Nomos-Verlagsgesellschaft 2000, 554 S.

Wie der Titel signalisiert, handelt es sich um eine hochambitionierte Arbeit. Ich möchte sie hier nicht näher besprechen, sondern nur einen Punkt kritisch betrachten, einen, der allerdings zentrale Bedeutung hat und sich als archimedischer Punkt für eine Gesamtkritik erweisen könnte: wie Hochhuth Stirner zwar zu einer philosophischen Schlüsselfigur stilisiert, ihm aber dabei die Originalität nimmt.

Hochhuth schreibt gleich zu Beginn (5), dass in der Rechtsphilosophie "die Systemgegner" in vielen Punkten Recht gehabt hätten, und er benennt diese überraschenderweise als "die Stirnerschule mit Anarchismus und Existenzdenken". Im weiteren Text ist Stirner sowohl im systematischen als auch im historischen Teil ein (kurzes) Kapitel gewidmet; passim begegnet er dem Leser an schätzungsweise 30-40 Stellen (kein Index vorhanden) im Zusammenhang mit Vertretern des Anarchismus und Existentialismus.

Diese nicht unübliche Einordnung Stirners -- und dessen zentrale Rolle in Hochhuths Abhandlung -- will ich hier nicht kommentieren. Ich möchte aber einige Gedanken festhalten, die ich mir anlässlich einer Bemerkung des Autors in einer der 1571 Fussnoten machte.

Nachdem Hochhuth S. 422 behauptet, dass es a) keinerlei Zweifel unterliege, dass Stirner eine "wesentliche Wurzel des Anarchismus" sei, und es b) "ebenfalls jedem Lesekundigen offen liege", dass Stirner auch eine "wesentliche Quelle des Existentialismus" sei, belegt er letzteres in der Fussnote Nr. 1297 durch Nennung zweier Bücher: Giorgio Penzo, Max Stirner [la rivolta esistenziale], 1971, und Henri Arvon, Aux sources de l'existentialisme, 1954.

Nach Erledigung dieses -- durchaus kritisierbaren -- Literaturnachweises fährt Hochhuth ohne ersichtlichen Grund fort, und zwar mit dem bemerkenswerten Satz: "Neuerdings nimmt sich Bernd A. Laska Stirners an." Es folgt der Hinweis auf zwei Bände meiner Stirner-Studien: Ein dauerhafter Dissident, 1996; 'Katechon' und 'Anarch', 1997.

An diesem Zusatz zum Literaturnachweis ist dreierlei bemerkenswert:
1) Einen solchen Satz schreibt man üblicherweise nicht so, wenn es sich bei dem Autor um einen weitgehend Unbekannten handelt.
2) In Band 2 meiner Stirner-Studien belege ich das Gegenteil dessen, was Penzo und Arvon -- und Hochhuth -- behaupten. Sowohl Anarchisten als auch Existentialisten sahen sich nicht in Stirners Nachfolge und bezogen sich, wenn überhaupt, nur in unspezifischen Punkten auf ihn.
3) Diese doppelte Fehlleistung wird durch den nachfolgenden Satz gesteigert: "Laska weist darauf hin, dass der 150. Jahrestag des Erscheinens dieses Buches [Stirners Einziger] in Deutschland gänzlich übergangen worden sei."

Hochhuth behandelt mich wie einen namhaften Autor (1), suggeriert dann (wissentlich? bewusst?) kontrafaktisch, ich stünde mit meiner Sicht Stirners in der Nachfolge der Autoren Penzo und Arvon (2), und teilt schliesslich einen "Hinweis" von mir mit, der hier völlig belanglos und überflüssig ist (3).

Weil Hochhuth meine Schriften kennt und (als einer von sehr wenigen Autoren) auch nennt, liegt hier ein Fall des aus der Stirnerliteratur bekannten Phänomens der Tertiärverdrängung vor. Durch die unscheinbare Fussnote, genau besehen: durch eine erratische, sachlich unbegründete Fussnote zu einer Fussnote, hat sich das Verdrängte in maskierter Form Bahn gebrochen.

Generell vertrete ich folgende Auffassung: Die Primärverdrängung (individuell-psychologisch und kollektiv-ideengeschichtlich) Stirners geschah durch die anarchistischen / existentialistischen Autoren, die Stirner kannten und -- ohne sich öffentlich mit ihm auseinanderzusetzen -- ihn durch Schaffung attraktiver Philosophien "überwanden" (wie dies, paradigmatisch, schon Marx und Nietzsche taten); die Sekundärverdrängung geschah durch deren Anhänger und akademische Bearbeiter, die die Primärverdrängung Stirners bei den nunmehr prominenten Autoren konsequent "übersahen" (wie etwa in der Marxforschung oder Nietzscheforschung); die Tertiärverdrängung geschieht, wie in diesem Fall, wenn jemand trotz Kenntnis der Aufdeckung von Primär- und Sekundärverdrängung diese ignoriert -- was nur fassbar wird, wenn es, wie hier, zu grotesk anmutenden geistigen Ausweichbewegungen kommt.

Während die Rolle Stirners in der intellektuellen Biographie berühmter Denker normalerweise, wenn nicht ignoriert, so doch bagatellisiert wird, wählt Hochhuth sozusagen die "Flucht nach vorn". Er ernennt Stirner zum "Stammvater" der Anarchisten und Existentialisten (384). Die Rekonstruktion seines "Stirner" per Inklusion aus deren Schriften, ist freilich das Gegenteil dessen, was ich -- u.a. in den von ihm genannten Stirner-Studien -- per Exklusion für das LSR-Projekt als "Stirner" darstellen will.

Schliesslich favorisiert Hochhuth als Vertreter der "reinen Lehre" (469) keinen der als Anarchist oder Existentialist bekannten Autoren, sondern, neben Stirner, nur den späten Ernst Jünger (467), der im Alter von achtzig Jahren, unter Berufung auf Stirner, in seinem Werk Eumeswil die Gestalt des "Anarchen" entwarf.

Nachdem Hochhuth mit substantieller Hilfe von "Stirners und Jüngers Anarchismus" (510), wie er ihn konstruiert hat, gegen die Systemdenker in der (Rechts-)Philosophie seine eigene "Vereinigungstheorie" gesetzt hat, nennt er abschliessend dessen Unzulänglichkeit gegenüber dieser: er sei "nicht nur gewissenlos, sondern auch politisch zahnlos" und gefährde dadurch auch "die Emanzipation dieser Möchtegern-Anarchen selbst." Eumeswil habe das klar gezeigt (510). Hochhuth, im Bunde mit Jünger, entkernt Stirner, nimmt ihm die Originalität (die einst viele, auch Anarchisten und Existentialisten, erschrecken liess) und gibt ihm dafür die Priorität an einer tatsächlich "zahnlosen" Idee.

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2. Juni 2010: Giorgio Penzo: Max Stirner auf deutsch


Durch die Erwähnung bei Martin Hochhuth (s.o. 18. Mai 2010) habe ich mich noch einmal für Giorgio Penzos Buch (1971) interessiert. Es ist inzwischen in deutscher Übersetzung herausgekommen:

  Giorgio Penzo
  Die existentielle Empörung
  Max Stirner zwischen Philosophie und Anarchie
  Frankfurt u.a.: Peter Lang 2006

Bemerkenswert: Das Buch erschien in der Reihe Würzburger Studien zur Fundamentaltheologie, herausgegeben von Elmar Klinger, dem Ordinarius für Fundamentaltheologie und Religionswissenschaft an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Würzburg.

Oder ist das gar nicht bemerkenswert?
Wo doch kürzlich sogar Stirners "Einziger" in einer aufwendigen Edition im Verlag Karl Alber erschien, der zu der dem Katholizismus nahestehenden Verlagsgruppe Herder gehört. (s. Eintrag vom 21. Juni 2010)

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21. Juni 2010: Zur Neuedition von Stirners "Einzigem"


Heute wurde im Deutschlandfunk eine Besprechung der Neuedition von Stirners Einzigem, die vor einem Jahr im Verlag Karl Alber erschien, gesendet (Textfassung). Der Rezensent, Hans-Martin Schönherr-Mann, ausserplanmässiger Professor für Politische Philosophie an der Universität München, ist von einem Satz Stirners geradezu hypnotisiert: "Ich aber bin durch Mich berechtigt zu morden, wenn ich Mir's nicht verbiete." Um ihn kreist er in der gesamten Besprechung und lässt dabei erkennen, dass ihm Stirners Ideen völlig fremd geblieben sind.

Zur Neuedition sagt er, sie sei "verdienstvoll, weil es insgesamt bloss wenige Editionen dieses Werkes gibt". Tatsächlich, so steht es da. Aber "nicht nur". Verdienstvoll sei auch die Aufnahme von Stirners Replik auf seine Kritiker und das "hervorragende Nachwort" des Herausgebers Bernd Kast, der "vor allem auch Max Stirners Aktualität vor[führt]" und den "weitverbreiteten Fehldeutungen Stirners einige gute Argumente entgegen[setzt]".

Schon einige Monate zuvor, am 2. März 2010 in der Neuen Zürcher Zeitung, hatte Ursula Pia Jauch, Titularprofessorin für Philosophie an der Universität Zürich, sich erfreut gezeigt, dass nun "endlich eine subtil kommentierte Studienausgabe" des Einzigen vorliege. Sie spricht allerdings von einer "Stirner-Bibel" und glaubt in der Neuedition ein Zeichen dafür sehen zu können, "dass Stirners Egoismus in den Zeiten des ökonomischen Solipsismus doch langsam salonfähig geworden wäre." Das wäre, auch für die Rezensentin, wohl doch kein Grund zur Freude. (Vgl. a. Jauch über Stirner.)

Ich kann mich den lobenden Urteilen der Professionellen zu dieser Neuedition nicht anschliessen. Die Kommentierung des aus den 1840er Jahren stammenden Textes ist gewiss oft hilfreich, aber kaum "subtil". Sie wirkt in der überwiegenden Zahl der Anmerkungen eher forciert: Jehova etwa wird immer wiederkehrend als "alte Lesung für hebräisch Jahwe, dem Namen Gottes im Alten Testament" erläutert; im Text beiläufig vorkommende Personennamen werden zum Anlass ausführlicher Erklärungen genommen, die manchmal überflüssig (z.B. Nero, S. 63), manchmal obendrein unverständlich und verwirrend (Ödipus, S. 342) sind; auch zahlreiche Worterklärungen wirken schulbuchartig und wären besser unterblieben.

Das Nachwort des Herausgebers über "fünf ausrottbare Missverständnisse in Bezug auf den Einzigen und sein Eigentum" ist, wie schon die Formulierung verrät, in erster Linie defensiv und kann die offensive Ausrottung nicht leisten. Ich werde darauf vielleicht einmal genauer eingehen.

Aber abgesehen von den angedeuteten Kritikpunkten halte ich eine Neuedition des Einzigen generell für überflüssig und damit sogar für störend. Die seit fast vier Jahrzehnten ununterbrochen erhältliche Ausgabe des Verlages Philipp Reclam ist in der Stirner-Literatur fest eingeführt. Sie ist editorisch kaum verbesserungsbedürftig. Wünschenswert wäre deshalb eine fest gebundene Ausgabe dieser Edition in grösserem Format unter Beibehaltung des Satzspiegels, evtl. ergänzt durch einige sparsame Kommentare -- aber ohne das Nachwort von Ahlrich Meyer. Eine Neuedition wie die von Alber sorgt indes, falls sie in nennenswerten Gebrauch kommen sollte, für Umständlichkeiten bei Zitatnachweisen. Aufgrund dieser Erwägungen habe ich schon 1985 auf eine Neuedition des Einzigen im LSR-Verlag verzichtet, obwohl der Titel natürlich perfekt in das Verlagsprogramm passte.

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25. Juni 2010: "...in einer wenig beachteten Studie..."


Bei der sporadischen Suche nach Erwähnungen meiner Arbeiten stiess ich kürzlich in einem Buch (Ulrich Fröschle / Thomas Kuzias: Alfred Baeumler und Ernst Jünger, Dresden 2008) auf folgende Stelle (S. 129):

Bernd A. Laska hat in einer wenig beachteten Studie darauf aufmerksam gemacht, dass Jüngers späteres Modell des Anarchen demonstrativ auf Max Stirner bezogen war, wenn er diesen auch auf die üblichen "Axiome" reduzierte und daher trivialisiert haben mag: "1. Das ist nicht Meine Sache; 2. Nichts geht über Mich." (312)
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(312) Jünger, Eumeswil, [Stuttgart 1977], S. 366; vgl. Bernd A. Laska, "Katechon" und "Anarch". Carl Schmitts und Ernst Jüngers Reaktionen auf Max Stirner, Nürnberg 1997, S. 49-68. [ ... ]

Der Kontext dieser Stelle kann hier ausser Acht gelassen werden. Bemerkenswert ist, dass die für den Gedankengang funktionslose, also überflüssige Erwähnung meines Buches überhaupt geschah; dazu die Abwandlung der üblichen Wendung "in einer viel beachteten Studie" zu der unüblichen "in einer wenig beachteten Studie". Ich meine, darin eine verborgene positive Wertung, verbunden mit einem Vorwurf an die Kollegen, erblicken zu dürfen: "in einer zu Unrecht wenig beachteten Studie". Statt aber auf jene Studie einzugehen, rechnen die Autoren mir etwas ganz und gar Unoriginelles, und nur dies, als Verdienst an: gesagt zu haben, dass Jünger seine Figur des "Anarchen" in Eumeswil nach seiner Lesart von Stirners Einzigem modelliert hat. Das aber geht aus Jüngers Buch direkt hervor.

Der Fall erinnert mich an den am 18. Mai 2010 hier geschilderten.

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27. Oktober 2010: Stulpe = ein Neo-Helms und Anti-Laska


Im April dieses Jahres erschien das Buch

  Alexander Stulpe
  Gesichter des Einzigen
  Max Stirner und die Anatomie moderner Individualität
  Berlin: Duncker & Humblot 2010, 980 S.
  Zugl.: Berlin, Freie Universität, Diss. 2007

Ich habe es für die Zeitschrift Aufklärung und Kritik (Heft 4/2010, S. 272-279) in einem Rezensionsessay unter dem Titel Der Stachel Stirner besprochen. Inwiefern Stulpes Dreipfünder, "dessen tatsächlicher Zeitbedarf alle Erwartungen übertroffen hat" (Vorwort), eine Aktualisierung des Zweipfünders von Helms (Die Ideologie der anonymen Gesellschaft, 1966, 600 S.) ist, habe ich dort gesagt. Ungesagt blieb freilich, dass und warum ich in Stulpe einen veritablen Anti-Laska sehe. Das sollte ich demnächst einmal auf den LSR-Seiten ergänzen.

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20. Dezember 2010: Das Stirner-Jahrbuch 2010


Vor zwei Wochen erschien zum dritten Mal Der Einzige, das Jahrbuch der Max-Stirner-Gesellschaft. Sein Schwerpunktthema ist "Die Max-Stirner-Rezeption im Werk von Ret Marut / B. Traven". Schon in einer Rezension des ersten Jahrbuches (2008) stellte Lars Lambrecht fest, dass die in der neueren Stirner-Rezeption häufigen Werkvergleiche -- in jenem Band mit Rorty, Sade (2x) und Kafka -- in ihren Versuchen zur Aktualisierung Stirners "etwas Gezwungenes oder gar Verzweifeltes" an sich hätten. (Das Argument Nr. 284, 2009, S. 963-965) Hier nun geht es in sieben Beiträgen um Travens mögliche Beeinflussung durch Stirner, über die bereits seit etwa fünfzig Jahren spekuliert wird. Dabei wird nach wie vor nicht ersichtlich, was durch solche hermeneutischen Bemühungen um die Texte eines Romanautors gewonnen werden könnte. -- Anders liegt freilich der Fall bei einem Grossdenker wie Nietzsche, der, wie Traven, Stirner nie erwähnte. Wenn man annähme, dass am Anfang von dessen philosophischem Werdegang eine entscheidende, gewissermassen geistig-moralisch traumatisierende Begegnung mit Stirners Einzigem stand -- wofür es gute Gründe gibt; vgl. meine Untersuchung Nietzsches initiale Krise -- hätte das erhebliche Folgen für die Interpretation seines Werks und, natürlich von grösserer Bedeutung und wahrhafter Aktualität, für die Analyse von dessen ausserordentlicher Bedeutung bis in unsere Zeit. Aber das scheinen die meisten Stirner-Forscher nicht so zu sehen, Nietzsche-Forscher freilich erst recht nicht.

P.S.: Im Stirner-Jahrbuch 2010 ist dennoch ein Beitrag von mir enthalten. Er ist schwer zu finden, da er im Inhaltsverzeichnis nicht aufscheint und ich nicht im Autorenverzeichnis. Auch ist sein Titel typographisch nicht hervorgehoben (S. 177), so dass man fast annehmen mag, hier habe, wie in alter Zeit, der subversive "Säzzer" zugeschlagen und geistige Konterbande (Der Stachel Stirner) eingeschmuggelt. Sei's drum!

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